Warum reagierte mein Kollege so seltsam? Es war doch nur ein Scherz, als ich mich darüber beschwerte, dass er am Vorabend um 19.30 Uhr nicht mehr im Büro war. Als ich ihm um diese Zeit noch Unterlagen auf den Schreibtisch legte, hatte er längst Feierabend. Offensichtlich hat er aber nicht gemerkt, dass ich den Spruch ironisch gemeint hatte, und die Aussage daher als Vorwurf aufgefasst. Meine unbedachten Worte hatten ihn verletzt. Auch wenn er mir anschließend vergeben hat, fielen mir ähnliche Begebenheiten ein, in denen ich ironische Kommentare von mir gegeben hatte. Ich musste feststellen, dass diese Art Scherz für viele Mitmenschen nicht als solcher zu erkennen war und sie verletzt hat.
Der heutige Bibelvers fordert mich auf, keine faulen, nutzlosen oder verletzenden Worte auszusprechen. Mein Reden soll für andere auferbauend, helfend oder tröstend sein. »Gnade geben« meint in unserem Tagesvers, etwas weiterzusagen, das Freude oder Gefallen hervorruft. Ich merke, dass ich bewusster darauf achten muss, was meine Worte bewirken. Durch unbedachte Überheblichkeit kann ich die Motivation meiner Kollegen dämpfen und Beziehungen zerstören. Natürlich muss ich als Vorgesetzter auch klare Anweisungen geben, um Grenzen zu setzen und Fehlentwicklungen zu korrigieren. Doch entscheidend ist das Ziel, mit dem ich diese Aufgabe wahrnehme: Wenn ich gemeinsam mit meinen Kollegen etwas aufbauen will, werde ich auf eine Art und Weise mit ihnen reden müssen, die sie gewinnen will und sie mitnimmt. Ironie, Vorwürfe oder spitze Bemerkungen erreichen nur das Gegenteil, das gilt natürlich auch überall sonst, z. B. in der Familie.
Andreas Droese