In der Geschichte der abendländischen Christenheit ist der 24. Dezember 800 ein besonderes Datum. Der Frankenkönig Karl wurde in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt. Damit erreichte Karls Herrscherlaufbahn ihren äußeren Höhepunkt. Als Erbe eines schon bedeutenden Königs, nämlich Pippins, hatte er das Frankenreich weit nach Osten und Süden ausgedehnt und zur stärksten Macht in Europa erhoben. Als Schutzherr der Kirche sorgte er für die Ausbreitung des Christentums. Kein Wunder also, dass er in der Geschichtsschreibung als einer der Väter des christlichen Abendlandes angesehen wird. Sein Kaisertum verstand Karl von Anfang an als biblisch begründete Reichserneuerung in der Tradition Konstantins des Großen. Nach den Wirren der Völkerwanderungszeit, dem Zerfall des weströmischen Reiches erhielt der Gedanke der Einheit der Christenheit jetzt neuen Auftrieb. Jetzt war ein Kaiser da, der ausdrücklich seine Erhebung der Gnade Gottes zuschrieb und seine Macht zum Schutze der Christenheit einzusetzen versprach. Das hat er auch getan, manchmal auf eine Weise, die uns, gelinde gesagt, befremdet. Unterwerfung und Christianisierung waren allzuoft die zwei Seiten einer Medaille. Aber die Ausbreitung des Christentums, wie sie in den folgenden Jahrhunderten geschah, ist ohne das Wirken dieses Mannes kaum vorstellbar.
So gehört Karl in die Reihe der Werkzeuge Gottes, in die Reihe der großen Menschen, die, ohne es zu wissen, von Gott gebraucht wurden, um das zu tun, was im Augenblick getan werden musste, wie vor ihm schon Kyros, Alexander oder Konstantin. Gott bleibt Herr der Geschichte, ihm sind auch diese Großen untertan. Karl-Otto Herhaus