Ist das nicht eine äußerst merkwürdige Vorstellung: ein König, der auf einem Eselsfohlen reitet? Jedenfalls ist es sonst aus der Geschichte wohl nicht bekannt, dass ausgerechnet ein Esel das bevorzugte Reittier eines siegreichen Herrschers gewesen wäre. Vielleicht kennt der eine oder der andere unserer Leser das berühmte Alexandermosaik, das Alexander den Großen im Kampf gegen den Perserkönig Dareios III zeigt. Er wird dort auf einem feurigen Streitross reitend dargestellt. Das passt doch eher zu einem siegreichen König!? Aber so ein störrischer Esel – das kann doch nicht ernst gemeint sein. Oder doch? Groteskerweise wird Jerusalem, die Seele des Volkes Israel, auch noch aufgefordert über diesen König laut zu jauchzen. Was soll das alles?
Nun, es ist im Grunde dasselbe Prinzip wie in Sacharja 4,6: »Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist.« Es kommt nämlich gar nicht auf den Esel an, sondern auf den, der auf ihm sitzt. Und das ist niemand anderes als der König Israels, Gott selbst (siehe z.B. Psalm 24,7-10), es ist niemand anderes als Jesus Christus, der einige Tage vor seiner Kreuzigung auf einem Eselsfohlen reitend in Jerusalem einzog. Ja, dieser König ist wirklich »sanftmütig und von Herzen demütig.« (Matthäus 11,29) Das trifft auf Feldherren und Herrscher sonst nicht zu. Die reiten hoch zu Ross und tragen Löwen und Adler in ihren Wappen. (Heutzutage fahren sie gepanzerte Limousinen mit Motorradeskorte.) Doch am Ende wird er als der wahre, gerechte König siegreich bleiben und letztendlich haushoch über alle anderen Herrscher triumphieren. Uwe Stötzel