Die meisten Menschen möchten gern schöner, reicher, berühmter, stärker oder beliebter sein, als sie es in Wirklichkeit sind. Davon lebt die gesamte Unterhaltungsindustrie. Sie lässt die Zuschauer in Traumwelten eintauchen, in denen sie all das können und haben, was sie sich so sehr wünschen. Darüber hinaus gibt es Leute, wie etwa den »schönen Konsul« Hans-Hermann Weyer, »Graf von Yorck«, bei dem man – für viel Geld natürlich – Orden, Adels- und Doktortitel und noch vieles mehr kaufen kann. Besonders gern verkauft er den Titel eines Konsuls. Den Gewinn teilt er sich dann mit dem jeweiligen Präsidenten des betreffenden Landes. Aber auch wir gewöhnlichen Leute geben viel darum, nach außen hin eine »gute Figur« abzugeben. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass wir alle Schattenseiten unseres Wesens zu verstecken suchen, und wo das nicht geht, klagen wir diejenigen gern an, denen wir die Schuld daran geben können.
Bei Gott können wir damit allerdings überhaupt nicht punkten, weil er durch unsere Fassade hindurch geradewegs in unser Herz blickt, in die Zentrale, von der alle unsere geheimsten Wünsche, alle Gedanken, Worte und Taten ausgehen. Das Großartige an Gott ist, dass er uns trotzdem nicht angeekelt wegwirft, sondern sich darüber freut, wenn wir endlich ehrlich werden und kein Theater mehr spielen mögen. Und dann vergibt er uns alles, einerlei, wie heftig wir gegen alles gehandelt haben, was vor ihm richtig ist. Und das kann der gerechte Gott tun, weil tatsächlich die Strafe für alle unsere Verfehlungen schon längst bezahlt wurde, als sein Sohn sie auf sich genommen hat. Dieser allwissende Gott will uns Menschen nämlich gern alle für immer bei sich haben.
Hermann Grabe