Wie klug müssen doch Adam und Eva gewesen sein; denn alles Geniale, was in Shakespeare, Einstein, Bach und Michelangelo aufblitzte, haben diese ja von ihren Urahnen geerbt. Uns ist nämlich kein Mechanismus bekannt, durch den Klugheit zunimmt. Nach den Naturgesetzen geht es immer nur bergab. Und doch hat – wie wir wissen – alle Intelligenz bei Adam und Eva nicht ausgereicht, um der Versuchung zu widerstehen, von der verbotenen Frucht zu essen. Wie war das möglich? Nun, unser Tagesvers erklärt uns, wie Verführung immer wieder abläuft, seit es Menschen auf der Erde gibt:
Man möchte etwas gerne haben. Erst lässt man sich noch von Verboten, Gewissensbissen und moralischen Normen aufhalten. Und da wäre es dann noch möglich, entschieden »Nein« zu dieser Versuchung zu sagen. Unterlässt man das aber und hängt man stattdessen weiter seinen Begierden nach, werden die immer stärker und schieben nach und nach alle vorher erhobenen Bedenken beiseite, bis sie so stark werden, dass man höchstens noch die Risiken bedenkt, die man eingeht, wenn man seiner Begierde nachgeben will, bis man schließlich auch die Risiken gering achtet und auf Biegen und Brechen seinen Begierden folgt und zur Tat schreitet. Dabei kann es sich darum handeln, aus dem Geldbeutel der Mutter einige Euro zu stehlen, um etwas zu kaufen, bis hin zu den Abhängigkeiten der Drogen- und Spielsüchtigen oder bis zu den schrecklichen Taten von Diktatoren oder Mafiabossen.
Die alten Römer schon hatten den weisen Spruch: »Wehre den Anfängen!« Der gilt auch heute noch. Und wenn wir merken, dass uns die Kraft zum Nein-Sagen fehlt, dann dürfen wir Gott bitten, uns Kraft zu schenken. Er hilft allen, die es aufrichtig wollen.
Hermann Grabe