Eines Tages besuchte Nowikow, der Prediger, eine Molokanen-Familie, die sich – von der Kirche und vom Zaren verfolgt – im fernen Kabajewo angesiedelt hatte. Sie hielten sich für fromme Leute, doch bestand ihr »Glaube« eigentlich nur darin, ererbte Traditionen fortzusetzen.
Nowikow sprach mit ihnen über Gottes Gerechtigkeit und darüber, was es mit der Heiligkeit auf sich hat. Dazu schlug er seine Bibel auf und beantwortete die Fragen seiner Gastgeber, indem er ihnen vorlas, was Gott zu ihren Fragen zu sagen hatte.
Jekaterina, die Hausfrau, hörte genau hin. Aber eigentlich wurde sie immer ärgerlicher. »Mein Lebtag habe ich als fromme Molokanin gegolten, und jetzt soll das alles nichts mehr bedeuten?«, protestierte ihr Herz gegen das, was Nowikow aus der Bibel über Gottes Forderungen an uns Menschen vorlas. Andererseits musste sie zugeben, dass wir alle Sünder sind, die sich selbst nicht retten können, wenn Gott einen Erlöser schicken musste. »Der Kopf begreift’s; aber das Herz wehrt sich dagegen!«, seufzte sie.
Nowikow betete, während er sprach, und er sprach die ganze Nacht hindurch. Als sich das erste Tageslicht zeigte, löschte er die Petroleumlampe. »Weshalb?«, fragte sie. »Wenn die Sonne aufgegangen ist, braucht man keine Lampe mehr«, antwortete der Prediger. »Wenn ihr Christus ins Herz lasst, werdet ihr merken, dass alles andere dagegen verblasst.«
Sie hatten verstanden und baten Gott um Vergebung aller Schuld.
Als Jekaterina hinausging, um der Kuh und den Schafen die Türen zu öffnen, sagte sie: »Was ist nur los mit mir? Ich bin so froh, so froh!« – »Das ist die Freude des neuen Lebens aus Gott, das er dir geschenkt hat«, sagte Nowikow.
Anna Schulz