Der Gottesdienst war zu Ende und die Kinder spielten draußen auf der nahegelegenen Wiese. Manche sammelten Gras für ihre Meerschweinchen. So auch die kleine Lydia und ihr etwas älterer Bruder Micha (alle Namen geändert). Ein Mann aus der Gemeinde hatte ein Auge auf die Kinder. Völlig unvermittelt nahm Micha der kleinen Lydia ihr mühsam gesammeltes Meerschweinchenfutter weg und warf es dem Mann dreist auf den Kopf. Der schien erst gar nicht zu verstehen, wie ihm geschehen war, nahm aber dann Micha beim Arm und kündigte ihm an, dass er nun mit ihm zu seiner Mutter gehen werde. Micha wand und drehte sich natürlich, so dass er zu seiner Mutter halb gezogen und halb getragen werden musste. Er schien zu wissen, was nun auf ihn zukam.
Die Mutter redete mit ihrem Sohn ein erstes Wort, aber Micha schien das nicht zu stören, statt dessen versuchte er, auf alle erdenkliche charmante Art, seine Mutter um den Finger zu wickeln. Sie aber blieb fest und sagte unnachgiebig: »Da helfe ich dir jetzt nicht heraus – das musst du schon selbst in Ordnung bringen.« Nach kurzer Zeit war Michas Trotz geschwunden. Er ging hin und bat um Verzeihung.
Der heutige Tagesvers lobt die Festigkeit dieser Mutter. Sicher hat Micha ihre Unnachgiebigkeit zunächst als schmerzhaft empfunden. Sie aber hat ihrem Kind damit ihre Liebe gezeigt, indem sie ihm geholfen hat, Verantwortung für sich zu übernehmen und Fehler zuzugeben und um Verzeihung zu bitten. Er ist dadurch ein Stückchen reifer geworden.
Wie viel Kummer könnte Kindern und Eltern erspart bleiben, wenn sie diese einfache Erziehungsregel möglichst früh befolgten.
Dietmar Bauer