Während meiner Beschäftigung mit Jugendlichen entdeckte ich eines Tages einen Jungen (ich nenne ihn hier Jens) beim Reinigen seines Zimmers. Als Jens beim Staubsaugen feststellte, dass der Staubsaugerbeutel voll und das Weitersaugen unmöglich war, kam er auf folgenden Gedanken: Anstatt den Beutel zu leeren, versuchte er, den Staubsaugerschlauch in den vollen Beutel zu halten. Er meinte, dass sich der Staubsauger selbst leer saugen könnte.
Jens hatte in seiner Vergangenheit viele Verletzungen erlitten. Seine eigenen Eltern hatten ihn von sich gestoßen, und auch andere hatten ihn übel ausgenutzt. Sein Inneres sah aus wie ein voller Staubsaugerbeutel. Immer wieder quoll der überfüllte Beutel über. Oft litten auch andere an dem von ihm verbreiteten Beziehungsstaub. Entschuldigen wollte er sich nie, weil er die Schuld für alles bei denen sah, die ihm seine Kindheit geraubt hatten. Die Personen, die jetzt von ihm verletzt wurden, konnten sich mit dieser Erklärung natürlich nicht lange abfinden.
Ich hatte mir sehr gewünscht, dass Jens die oben im Vers formulierte Bitte um Reinheit an Gott richten würde. Er wusste, dass er all die Verletzungen und den Hass seiner Seele vor Gott aussprechen durfte. Er bestand stattdessen darauf, dass allein andere an allem schuld seien und dass er sich schon selbst helfen könne.
Gott wartet jedoch auf die, welche sich nicht selbst helfen können. Es hilft nicht, fortwährend andere an das eigene erlittene Unrecht zu erinnern, indem man ihnen ebenfalls Unrecht zufügt. Für unsere selbst verschuldeten Taten muss kein anderer als wir selbst Rechenschaft ablegen, es sei denn, wir werfen sie auf den, der sich für uns zum »Sündenbock« gemacht hat.
Andreas Burghardt