Glückselig der, dessen Übertretung vergeben, dessen Sünde zugedeckt ist.
Psalm 32,1
Der französische Maler Paul Gustave Doré (1832-1883) beendete drei Tage vor seinem Tod sein Gemälde vom »Tränental«. Da sah man den unter der Last seiner Krone seufzenden König genauso wie den hungrigen Bettler und den ausgezehrten Aussätzigen, gefolterte Verbrecher und Mütter mit sterbenden Kindern. Und alle streckten ihre Hände Jesus Christus entgegen, der allein aus diesem Tränental zu führen vermag. Aber ist das in Wirklichkeit so?
Nein, denn die meisten Menschen, die unter eigener und fremder Schuld leiden, die Schmerzen erdulden und durch Schicksalsschläge ins Verderben geraten sind, suchen Rettung bei Menschen und deren Hilfseinrichtungen, bei Parteien und neuen Gesetzen. Die aber könnten im besten Fall nur äußerliche Schäden beheben, nicht aber das, was die Seele bedrückt an begangener Schuld, an versäumter Vergebungsbereitschaft und Liebeszuwendung an solchen, die bereits von uns gegangen sind und derentwegen jetzt alle Reue zu spät kommt. Gott allein weiß das alles, und er allein kann uns vergeben, wenn wir nur zu ihm kommen wollten. Immerhin hat er seinen Sohn für unsere Sünden sterben lassen und damit eine Grundlage geschaffen, aufgrund derer er uns alles so vollkommen vergeben kann, dass auch gar nichts an Selbstanklagen zurückbleiben muss.
Warum nehmen heutzutage nur so wenige dieses überaus großzügige Angebot an? Wenn es irgendwo etwas umsonst gibt, drängeln sich doch gewöhnlich die Leute danach. Die Bibel gibt zwei Gründe an. Erstens will der Teufel seine Opfer nicht freigeben und hält ihnen die Augen zu, dass sie nicht sehen können, und zweitens wollen wir Menschen unsere vollkommene Verlorenheit nicht gern zugeben. Unser Stolz ist uns im Weg.
Hermann Grabe