»Ja, darf man denn überhaupt nicht für sich selber bitten?«, wird mancher sich gefragt haben, der dies »Bibelpaket« über das Beten bisher verfolgt hat. Immer ging es um die Ehre Gottes oder um das Wohl anderer.
Natürlich dürfen wir das, und wir beten für gewöhnlich sowieso viel häufiger wegen unserer Angelegenheiten, als für alles andere. Wie man so sagt, ist uns das Hemd näher als der Rock.
In unserem Tagesvers sagt eine Mutter nicht nur, dass und wofür sie gebetet hatte, sondern spricht auch von der Erhörung ihres Gebetes. Keine Kinder zu haben eröffnete im alten Israel nicht nur die Aussicht, im Alter unversorgt zu sein, es war auch eine Schande und gab den Nachbarn Anlass zu der Vermutung, Gott möchte diesen Eltern keine Kinder anvertrauen. Das war natürlich ein völlig haltloses Gerücht, konnte aber viel Elend über die Betreffenden bringen.
Gott will gebeten sein, nicht weil er sonst nicht wüsste, was wir brauchen, sondern weil wir dadurch zeigen, dass wir von ihm abhängig sind. Wer nicht betet, meint entweder, er sei selbst »seines Glückes Schmied«, oder er hat sich dem Fatalismus hingegeben, indem er an ein blindes Schicksal glaubt, das über ihn würfelt.
Es gibt allerdings Dinge, für die zu beten ziemlich zwecklos ist: Wer seine Vokabeln nicht gelernt hat, braucht nicht um eine gute Zensur zu bitten, und wer seinem Nächsten nicht vergeben will, kann das Bitten um einen Segen auch sein lassen. Gott will, dass wir tun, was wir können, und dazu wird er dann seinen Segen geben. Wie der ausfällt, hängt davon ab, ob das Erbetene zu unserem Segen oder Schaden ausschlagen würde. So ist es gut, wenn wir immer wieder sagen: »Dein Wille geschehe!«
Hermann Grabe