Merkwürdig. Bei keinem der zwölf Klingelknöpfe eine Regung. Etwas ratlos stehe ich vor dem mehrstöckigen Gebäude. Also werfe ich lediglich einige Einladungszettel in die Briefschlitze.
»Hier brauchen Sie nichts einwerfen. Da wohnt niemand«, meint eine Passantin. Wie bitte? Kann gar nicht sein. Die Namen stehen ja noch an den Postkästen. Als ich den Straßenzug weitergehe, schaue ich in die Seitengasse. Und richtig – das gesamte Hinterhaus ist abgerissen. Nur die erhaltenswerte Fassade ließ man gut verstrebt stehen. Die Namen prangen zwar noch in Messing an der Tür, aber es ist nichts dahinter.
So steht es auch mit manchem ›Christen‹. Laut Stammbucheintrag ist man Christ. Man hält auch manche christliche Tugenden aufrecht, weil man sie für ein zivilisiertes Zusammenleben unerlässlich findet, aber damit genug. Jesus sagt, dass ihm unser Innenleben und unser Verhalten nicht verborgen ist: »Ich kenne deine Werke«. Er entlarvt Scheinheiligkeit mitunter drastisch: »Ihr gleicht übertünchten Gräbern, die von außen zwar schön scheinen, inwendig aber voll von Totengebeinen und Unreinigkeit sind. So scheint auch ihr von außen zwar gerecht vor den Menschen, von innen aber seid ihr voller Heuchelei und Gesetzlosigkeit« (Matthäus 23,27).
Der Herr Jesus durchschaut die Schau. Wir Menschen sehen nur was vor Augen ist, aber der Herr sieht auf das Herz (1. Samuel 16,7). Er lädt ein, unsere Erbärmlichkeit nicht zu verbergen, sondern sie ihm zu offenbaren und sein Erbarmen zu erfahren.
Andreas Fett