Eine Spinne hatte sich an einem Faden von einem Zweig hinab auf die Erde gelassen. Dort wollte sie zwischen Gräsern und Halmen ihr Netz bauen. Doch immer wenn sie Gefahr witterte, lief sie schnell nach oben, an diesem Faden entlang, und brachte sich in Sicherheit. Inzwischen wuchs das Netz. Es wurde schön rund und gleichmäßig. An den klebrigen Fäden blieb so manches Opfer hängen; es lebte sich gut dort unten. Auch war die Spinne bald stark und groß geworden, so dass sie sich vor niemand mehr fürchtete.
Eines Tages, bei einem Rundgang um ihr Netz, entdeckte sie den Faden, der nach oben führte. Wohin er führte, hatte sie inzwischen ganz vergessen, auch wozu er ursprünglich diente. »Überflüssig! Der kann weg!«, dachte sie und biss ihn ab. Da fiel ihr ganzes stolzes Netz in sich zusammen.
So geht es manchem Christen. Früher, als er sich schwach fühlte, flüchtete er sich im Gebet »nach oben« zu Gott; aber dann gelang ihm manches in Geschäft und Familie. Es ging ihm gut, er fühlte sich stark und er vergaß schließlich seine Abhängigkeit von seinem Schöpfer so sehr, dass er die Verbindung zu ihm einfach abbrach, vergaß und für überflüssig hielt. – Dann lässt Gott, weil er uns lieb hat, oftmals erleben, was wir ohne ihn können. Oft müssen wir erst durch Krankheiten, Geldeinbußen, menschliche Enttäuschungen und Unfälle lernen, wie abhängig wir »von oben« sind.
Hermann Grabe