Ein schreckliches Bild bot sich dem Propheten Jeremia: Dort, wohin einst der Hohepriester in ehrerbietiger Haltung nur einmal im Jahr eintreten durfte, ins Allerheiligste des Tempels, da lärmten nun feindliche Soldaten. Sie machten sich über den Gott Israels lustig, der in ihren Augen nicht in der Lage war, sein Heiligtum zu verteidigen. – Warum griff Gott nicht ein wie damals bei Ussa, der tot umfiel, als er die heilige Bundeslade – noch dazu in bester Absicht – nur berührt hatte? Und warum wurden die rauen Krieger nicht aussätzig wie der König Ussija, der unberechtigt in das Heiligtum eingedrungen war?
Der Tagesvers gibt die Antwort: Gott hatte sein Heiligtum verstoßen und entweiht. Nun war alles profan geworden und nichts war mehr heilig. Jeder konnte sich an dem Gold, mit dem der Tempel von innen überzogen war, bereichern, ohne tot umzufallen.
Ja, aber was geht uns das heute an? Wir haben keinen Tempel aus Steinen, Gold, Silber und Bronze mehr, der zerstört werden könnte. Aber das Neue Testament sagt, dass die Gemeinde der Tempel Gottes sei. Wenn es nun die Christen genauso treiben wie die Juden damals, dass Gott nicht mehr bei ihnen wohnen kann, weil sie so vieles tun, was mit Gottes Heiligkeit unvereinbar ist, dann verlässt Gott auch diesen Tempel. Dann kann dort jeder machen und sagen, was er will, ohne dass Gott eingreift. Er hat ja längst eingegriffen, indem er auszog.
Was kann man da tun? Ist noch etwas zu retten? Wieder müssen wir in die Bibel schauen. Dort sehen wir, dass es nach der Zerstörung des Tempels treue Leute gegeben hat, die »Klagelieder« gesungen und Gott um Vergebung angefleht haben, bis Gott sich erbarmte und einen Wiederaufbau gestattete.
Günter Seibert