In der Rückschau auf die Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges gibt es einige Ereignisse, die wie fernes Donnergrollen die Katastrophe ankündigten. Eines ist das »Münchner Abkommen«, heute vor 75 Jahren. Die Westmächte, also vor allem England und Frankreich, waren in ihrer Friedenssehnsucht immer wieder Hitler entgegengekommen, getrieben von der Hoffnung, dass dieser endlich Ruhe geben würde, wenn seine Forderungen erfüllt würden.
Doch dem war nicht so. Hitler wollte den Krieg. Und er hoffte, ihn mit seiner Politik gegenüber der Tschechoslowakei vom Zaun brechen zu können, denn er stellte Forderungen, die die Westmächte eigentlich ablehnen mussten. Jedenfalls rechnete Hitler mit einer Ablehnung, was er dann mit Krieg beantwortet hätte. Doch die Westmächte gaben nach. Sie waren nicht kriegsbereit.
Es gab überdies in den Demokratien des Westens und auch in Deutschland eine große Sehnsucht nach Erhaltung des Friedens um fast jeden Preis. Das ehrte die Völker, doch täuschten sie sich darüber hinweg, dass es da einen Mann gab, der den Krieg wollte. Und dem war nicht durch Nachgeben beizukommen. Man muss sagen, dass die politischen Führer des Westens die Tugenden, zu denen Paulus in unserem Bibelvers aufruft, auf der ganzen Linie vermissen ließen.
Es scheint manchmal klug zu sein, nachzugeben; manchmal aber ist es weiser und auch verantwortungsvoller, den Anfängen zu wehren. Das gilt in der großen Politik ebenso wie auch im Kleinkram des täglichen Lebens, besonders im Umgang mit den uns anvertrauten Kindern. Dabei gibt es sicher keine Patentrezepte, aber Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, kann zuweilen heißen, etwas zu tun, was nicht den Beifall aller findet. Erwin Kramer