Bei einer Feier saß ich einmal neben einem Mann, der mir viel darüber erzählte, was seine Eltern alles falsch gemacht hätten. Schließlich forderte er mich auf, ihm zu bestätigen, dass die anderen an allem schuld seien. Damit tat ich mich allerdings schwer. Denn zum einen kenne ich auch die »andere Seite« und deren Sicht. Da klingt das alles ganz anders. Zum anderen war ich bei keiner der geschilderten Auseinandersetzungen anwesend. Daher konnte ich mir kein Urteil erlauben. Natürlich hätte ich meinem Gesprächspartner einfach nach dem Mund reden können. Doch das wollte ich nicht. Das wäre den anderen Beteiligten, die nicht anwesend waren, nicht gerecht geworden.
Statt nun Richter in einer Sache zu werden, die ich nicht beurteilen konnte, schlug ich ihm einen anderen Weg vor: Wie wäre es, alle Enttäuschung und Bitterkeit – ob berechtigt oder nicht – einfach zu begraben und dem anderen zu vergeben? Statt immer wieder die alten Geschichten hervorzukramen, könnte er doch auf seine Eltern zugehen und ihnen die Hand reichen. Doch das kam für ihn nicht infrage. Er war empört über meine Haltung und hat das Gespräch sofort beendet. Die Folge: Der Streit besteht nach wie vor!
Vielleicht stecken Sie auch in einem Konflikt, der schon lange anhält und in dem keiner nachgeben will. Wie dem jungen Mann kann ich Ihnen auch nicht einfach Recht geben. Das würde nichts bringen. Ich kann Ihnen nur genau so raten: Machen Sie den ersten Schritt und vergeben Sie dem anderen von Herzen. Das ist vielleicht nicht einfach. Doch ohne Vergebung wird der Streit nicht aufhören. Und wenn Ihnen die Kraft zu diesem Schritt fehlt, dürfen sie Gott bitten, Ihnen zu helfen. Denn er vergibt gerne. Markus Majonica