Johann Hinrich Wichern hatte im 19. Jahrhundert bei Hamburg ein Haus für gescheiterte Jugendliche gebaut. Er wollte ihnen helfen, wieder ein ordentliches Leben zu beginnen. So wurde ihm wieder einmal ein Junge geschickt, dem man ansah, dass er von niemandem mehr etwas Gutes erwartete.
Beim Licht einer Kerze las Wichern den mitgelieferten Bericht über die noch kurze, aber doch schon steil abwärts gerichtete Geschichte dieses Jungen, voller Missetaten seinerseits und Misshandlungen vonseiten seiner Umgebung.
Er blickte den Jungen an und sagte: »Hier darfst du ganz neu anfangen; denn auch für dich ist Jesus gestorben und auch auferstanden.« Und dann hielt er den Bericht der Jugendbehörde in die Kerzenflamme und ließ ihn verbrennen. Dabei sagte er, dass des Jungen Schuld genauso in der Liebe Jesu verbrennen kann wie dieses Papier. Er müsse ihn nur darum bitten. Danach riet er dem Jungen, niemandem etwas von seiner Vergangenheit zu erzählen, damit er nicht wieder auf diese Dinge festgenagelt werden könnte. »Hier wirst du mit Gottes Hilfe ein neuer Mensch werden«, sagte er noch.
Ich denke, dass dies eine schöne Geschichte ist, die für alle eine frohe Botschaft sein müsste, die gern Frieden mit Gott hätten und nur nicht wissen, dass Gott seinen Teil längst daran getan hat. Und sie gilt auch Christen, die mit einem schlechten Gewissen herumlaufen, weil sie sich wieder einmal schuldig gemacht haben. Allen gilt, dass die Schuld längst bezahlt wurde; nur kommen muss man und sie vor Gott eingestehen.
Dann bleibt von unserer Schuld genauso wenig übrig wie von dem Bericht der Jugendbehörde, den Wichern hat verbrennen lassen.
Hermann Grabe