Vielleicht lesen Sie den obigen Bibelvers auch so, wie es schon viele taten: Wer nach oben, ganz nach oben kommen will, muss zunächst jede Aufgabe übernehmen und sich ohne Murren zum Diener anderer machen. Dann wird man im Vertrauen auf diesen Spruch schließlich der Erste. Oder man rechnet – weniger fromm – einfach damit, die Chefs würden schon sehen, wie belastbar, uneigennützig und aufopferungsbereit man ist. Dadurch qualifiziert man sich wie von selbst für höhere Posten und Leitungsaufgaben.
Aber sollte hier der Herr Jesus Christus einen Trick für Karrierebewusste verraten haben? Warum ist es ihm selbst denn so schmählich missglückt, in dieser Welt Anerkennung zu finden?
Nein, wer diesen Vers im Zusammenhang liest, wird schnell erkennen, dass es hier um Grundsätze geht, die den in der Welt üblichen völlig entgegengesetzt sind. Jesus Christus selbst hat sich erniedrigt und zum Diener aller Menschen gemacht. Er nahm die tiefste nur denkbare Stellung ein, weil er die Sünden aller Menschen trug, auch die der größten Übeltäter. Darin kann ihm kein Mensch folgen. Aber wir können uns die Gesinnung Jesu, die Gesinnung eines Dieners, schenken lassen und ihm so ganz nahekommen. Das führt dann nicht in die Chefetagen dieser Welt, sondern bleibt eine lebenslange Aufgabe, solange Nöte und Bedürfnisse aller Art bestehen. Wir werden dann darauf bedacht sein, das Elend und die Schwierigkeiten unserer Mitmenschen zu lindern. Wir bekommen die Bereitschaft, auf eigene Augenblicksvorteile zu verzichten und freigiebig zu werden. Utopisch? Es ist aber schon vielfach Wahrheit geworden, und kann es auch bei uns werden.
Hermann Grabe