Bert Brecht erschrak einmal heftig, als ein alter Bekannter ihn wieder traf und sagte: »Sie sind noch ganz der Alte!« Das sollte natürlich ein Lob sein und ihm versichern, wie gut er sich all die Jahre hindurch gehalten hatte. Warum erschrak Brecht dann aber? Nun, jeder nachdenkliche Mensch hat andere Zielvorstellungen für sein Leben als den Erhalt der Jugendlichkeit, so schön das an sich auch wäre. Ganze Industriezweige möchten uns natürlich einreden, es käme auf nichts anderes an, als ewig jung und attraktiv zu erscheinen.
Aber sollten nicht all die gemachten Erfahrungen, Enttäuschungen und Erfolge unsere innere Entwicklung vorantreiben und uns zu einem anderen Menschen machen? Es wäre doch jammerschade, wenn wir aus Fehlern nicht klug würden und aus Erfolgen nichts für die Zukunft lernten.
Christen haben ein großes Ziel, das sie leider häufig aus den Augen verlieren. Sie sollen Christus ähnlicher werden. Mit allem, was Gott uns an Freuden und Leiden, an Erfolgen und Misserfolgen begegnen lässt, hat er dies große Ziel vor Augen. Aber wir lernen aus allem nur das Richtige, wenn auch wir an diese unsere Bestimmung denken.
In mancher Hinsicht verändert sich dadurch unsere Haltung. Wie murren dann nicht mehr über das, was uns missfällt, weil wir wissen: Gott hat es zugelassen, um uns auf einen Charakterfehler oder auf eine falsche Haltung hinzuweisen. Und wenn wir Erfolg haben, schreiben wir das nicht mehr uns selbst, sondern der Güte Gottes zu. Wir bekommen auch ein weites Herz für die Mängel und das Versagen anderer usw. usw. Würden wir doch in dieser Weise nachhaltig verändert, dass die Leute sagten: »Dich kennt man gar nicht wieder!«
Hermann Grabe