Den Abschiedsbrief hatte ich geschrieben, an diesem sonnigen Sonntag im Mai. Mit Fünfzehn hatte ich das Leben satt wegen dem ständigen Streit zu Hause. Nun stand ich hier oben am Rand des großen Steinbruchs und wollte mich hinabstürzen. Doch plötzlich überfiel mich Angst und ich rannte, so schnell ich konnte, nach Hause.
Zwanzig Jahre später hatte ich längst eine eigene Familie, eine liebe Frau und vier Kinder. Trotzdem war ich unzufrieden und bei den geringsten Kleinigkeiten mit den Nerven am Ende. An einem »Heiligen Abend« erfüllte sich bei uns die Redewendung, wonach ein Unglück selten allein kommt: zwei Kinder krank, Schulden und ein gerichtlicher Strafbefehl. Verzweifelt lief ich in der Dämmerung ziellos durch die Straßen. Irgendwo am Stadtrand ließ ich mich erschöpft auf einen Stein nieder und weinte hemmungslos. Dann betete ich erstmals wieder seit vielen Jahren. Laut schrie ich zu Gott und klagte ihn an. Ich dachte in diesem Moment an den Hügel Golgatha, wo Jesus am Kreuz starb, und wurde ruhig und zuversichtlich. Das Leben habe ich mir an diesem Abend nicht genommen, obschon mir danach zumute war. Nach und nach wurde alles wieder gut: Unsere Kinder wurden wieder gesund, die wirtschaftliche Situation besserte sich und der Strafprozess endete mit Freispruch.
Weitere fünfzehn Jahre danach beendete ich doch noch mein Leben, indem ich mit dem alten Leben Schluss machte und den in mein Herz aufnahm, der von sich selbst sagt, dass er das Leben ist: Jesus Christus! Und Gott machte wirklich alles neu: unsere Herzen, unsere Ehe, unser ganzes Leben. Karl-Heinz Gries