Heute wäre der Schweizer Dichter Friedrich Dürrenmatt 85 Jahre alt geworden. Eines seiner berühmtesten Werke ist das Stück »Der Besuch der alten Dame«.
In ihm besucht eine steinreiche alte Dame eine heruntergekommene Stadt in der Schweiz. Alle Bewohner erhoffen sich von ihr die Rettung vor dem Bankrott. Doch Claire Zachanassian will etwas anderes. Sie will Rache für das, was ihr in ihrer Jugend in dieser Stadt angetan wurde. Ihr damaliger Freund Alfred Ill hatte sie geschwängert und dann sitzen gelassen. Als Hure gebrandmarkt, musste sie vor fünfzig Jahren die Stadt verlassen. Nun verlangt sie »Gerechtigkeit«. Sie bietet den Einwohnern eine Milliarde Dollar, wenn jemand ihren früheren Geliebten tötet. Entrüstet weist der Rat der Stadt das Angebot zurück. Doch Claire sagt ganz gelassen: »Ich warte.«
Schonungslos macht der Autor den Lesern (Zuschauern) deutlich, wie moralisch verkommen die Menschen sind. Irgendwann sind sich alle in Güllen einig: Alfred Ill muss umgebracht werden. Die Gier nach Geld ist einfach zu groß. Dürrenmatt führt die Menschen dann auch noch in ihrer Doppelmoral vor. Die Güllener drehen und wenden den von ihnen verlangten Mord so lange hin und her, bis er ihnen schließlich als gute Tat erscheint.
Das Bild, das der Autor von der moralischen Verfassung des Menschen zeichnet, könnte nicht schlimmer sein. Ohne darauf Bezug zu nehmen, bestätigt er die Aussagen der Bibel. Wenn Menschen ohne das Bewusstsein eines Rechenschaft fordernden Gottes leben, verkommt ihre Moral zur Beliebigkeit. Und wenn sie die Gnade Gottes, die in Jesus sichtbar wurde, nicht annehmen, sterben sie in ihren Sünden. Karl-Otto Herhaus