Um die Gemeindekasse zu schonen, hatte sich eine alte Dame im Sommer 2012 angeboten, ein ziemlich ramponiertes Bild aus dem neunzehnten Jahrhundert in ihrer Kirche im spanischen Borja zu restaurieren. Ihr gelang der »missglückteste Restaurierungsversuch aller Zeiten«, wie Fachleute einhellig feststellten. Denn das Bild des leidenden Christus verwandelte sie in das eines »aufgeblähten Igels«, wie eine englische Zeitung meinte. Was als kleine Ausbesserung des Bildes Christi gedacht war, geriet zur Zerstörung seines Abbildes.
Was der alten Frau unabsichtlich und nur aus Mangel an Talent passierte, machen leider viele Leute immer wieder in voller Absicht. Manche wollen das Bild Christi im Bewusstsein der Leute ein wenig, andere auch sehr deutlich dem Geschmack der Zeit anpassen. Nicht ohne Ironie ist die Aussage, das Bild in Borja könne als Werk eines modernen Künstlers gelten. Was wird heutzutage alles aus Christus gemacht! Für manche ist er ein Sozialreformer, für andere ein Vorbild der Nächstenliebe, wieder andere sehen in ihm einen gescheiterten Gutmenschen und andere einen Religionsstifter, wie es etliche gegeben hat und heute noch gibt.
So wird sein Bild bis zur Unkenntlichkeit verdorben – und dabei ist er doch das, was er selbst von sich sagte: der Sohn des allmächtigen Gottes, der sich über uns verlorene Sünder in einem so starken Maß erbarmte, dass er zu uns kam und an unserer Stelle der Gerechtigkeit Gottes durch sein Sterben Genüge tat. Wir sollten nur solchen Predigern zuhören, die wie gute Restauratoren dem so geschundenen Bild Christi unter uns wieder den ursprünglichen Glanz zurückgeben. Nur so ist uns zu helfen.
Hermann Grabe