Ein Zeitgenosse Friedrichs des Großen, der Philosoph Voltaire, galt als einer der prominentesten Spötter und Bibelverächter seiner Zeit. Allerdings hatte er sich dadurch im Gegensatz zu den Spöttern der Postmoderne nicht die realistische Einschätzung der menschlichen Schwächen ausreden lassen. So kam er zu dem Schluss: »Wenn es keinen Gott gäbe, müsste man ihn erfinden.« Ihm war klar, wohin es führen würde, wenn es kein ordnendes Prinzip mehr gäbe, wenn keiner mehr sagt, was gut und was böse ist, und wenn auch niemand Konsequenzen einfordern würde.
Seitdem man meint, auch ohne eine solche ordnende Macht die Menschen zu angenehmen, verlässlichen und fürsorglichen Zeitgenossen erziehen zu können, erleben wir auf allen Gebieten durchweg nur Auflösungserscheinungen. Polizisten, Lehrer und Kindergärtnerinnen könnten ein leidvolles Lied davon singen, wenn sie nicht aus eigener Scham oder aus Angst um den Verlust ihres Jobs lieber schweigend leiden wollten. Die Meinungsmacher von heute wollen einfach nicht einsehen, dass die meisten Menschen lieber die engsten Schlupflöcher in noch so feinmaschigen Gesetzeswerken suchen, als sich freiwillig dem Gemeinwohl unterzuordnen.
Gott kennt uns, und darum hat er uns die Zehn Gebote gegeben. Die sollten für uns alle genauso wirken wie die »Starenkästen« auf zu schnelle Autofahrer. Genau besehen ginge es uns allen besser, wenn das Beachten aller Gebote Wirklichkeit bei uns würde. Aber immer noch will Gott uns helfen, seine guten und heilsamen Gebote lieben zu lernen, wenn wir ihn darum bitten. Das wird sich nicht immer gleich in klingender Münze auszahlen, gibt uns aber ein gutes Gewissen, was weit wichtiger ist.
Hermann Grabe