»Du weißt ja, dass ich überall, wohin ich kam, ein Fremder war. Ich hatte nur einen Glaubensbruder, meinen Neffen Lot. Mit dem betete ich gemeinsam an den Altären, die ich errichtet hatte. Dort konnten wir uns auch über Gott unterhalten. Leider war er so sehr hinter irdischen Gütern her, dass er es oft zum Streit kommen ließ. Schließlich musste ich mich von ihm trennen, weil die Leute sich schon über uns mokierten: ›Das wollen Fromme sein?‹
Ich warnte ihn noch davor, in die üppigen Gegenden von Sodom zu ziehen, aber er hörte nicht auf mich. Dort heiratete er eine reiche Sodomerin und wurde sogar Ratsherr. Aber: mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. So ähnlich ging es ihm, als die Sodomer einen Aufstand gegen ihren Lehnsherrn machten und von ihm bestraft wurden. Der König von Babel schleppte alle Gefangenen fort. Sie mussten ihre Habe auf dem Rücken tragen, aber nicht für sich selbst, sondern für die Eroberer. Lot war auch unter ihnen.
Als ich davon erfuhr, rief ich meine Leute zusammen, jagte den Feinden nach und überfiel sie am frühen Morgen. Ich konnte alle Gefangenen befreien. Darum ging es mir aber nicht, sondern allein um Lot, weil er mein Glaubensbruder ist. Leider hat er sich danach nicht geändert. Später verlor er alle seine Habe und kam auch sonst völlig unter die Räder. Das ist ein großer Schmerz für mich.«
Bruderliebe ist etwas anderes als Sympathie oder »wenn die Chemie stimmt«. Bruderliebe kommt zustande, wenn man Gott liebt und darum auch alle anderen, die zu Gottes Leuten gehören, selbst wenn sie sich manchmal seltsam benehmen.
Hermann Grabe