Es war in den letzten Jahren des Ersten Weltkrieges. Der junge Soldat war nun schon seit drei Jahren im Einsatz an der Front - ohne Urlaub. Die einzige Verbindung nach Hause bestand in den Briefen, die seine Mutter ihm regelmäßig schickte. Darin beschrieb sie ihm, wie sich das Leben in der Heimat inzwischen gestaltete. Irgendwann schrieb der Sohn zurück: «Ich verstehe Deine Briefe nicht, Mutter. Du schreibst von Dingen, die ich mir nicht vorstellen kann: Geschlossene Betriebe, Nahrungsmittelknappheit, Lebensmittelkarten, Schlange stehen. Ich kann nicht glauben, dass es das bei Euch gibt. Wie lange muss ich schon von zu Hause fort sein, dass ich Deine Briefe nicht mehr verstehen und mir Euer Leben zu Hause nicht mehr vorstellen kann!«
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie die Bibel lesen. Manchmal lesen wir darin Dinge, die wir nicht verstehen oder uns nur schwer vorstellen können. Aber anstatt zu sagen, dass die Bibel ja veraltet sein muss, könnten wir auch sagen: »Wie weit müssen wir schon von unserem himmlischen Vater fort sein, dass wir sein Wort nicht mehr verstehen können!« Wenn wir die Bibel nicht verstehen, liegt es nicht an der Bibel. Es liegt an uns. Es ist ein Indiz dafür, dass wir nicht mehr »auf Gottes Wellenlänge« sind. Doch die Bibel ist eine Nachricht aus dem Vaterhaus. Sie zu lesen, ist der Weg, den Vater kennenzulernen.
Mit welch gespannter Erwartung wird der junge Soldat im Schützengraben den Brief aus der Heimat aufgerissen und gelesen haben! Was für ein Trost waren die Worte seiner Mutter für ihn, auch wenn er nicht alles verstand, was sie ihm schrieb! Doch wie gehen wir mit dem Wort Gottes um, das aus dem ewigen Vaterhaus in unsere kaputte Welt und in verzweifelte Herzen kommt?
Elisabeth Weise