Wir sind kürzlich umgezogen. Jetzt wohnen wir direkt gegenüber einem Studentenwohnheim. Das ist zehn Stockwerke hoch. Wenn ich aus dem Fenster blicke, sehe ich vis-a-vis genau einhundert Fenster vor mir. Jedes Fenster gehört zu einem kleinen Zimmer. Junge Leute aus aller Welt, die an unserer Uni studieren, leben darin. Einer hinter jedem der hundert Fenster. Dieser Augenblick, besonders abends, fasziniert mich. Dann gehen mir Gedanken durch den Kopf von Fenster und Licht, von Ausblick und Einblick.
Was die da drinnen wohl gerade machen? Lernen, essen, lesen, schlafen, fernsehen oder irgendwas anderes? Nicht nur Häuser haben Fenster, auch der Mensch. Die Augen sind die Fenster seiner Seele. Vieles was wir sehen, erweckt unser Verlangen. Wir möchten es ergreifen, haben oder essen. Was man nicht bekommt, daran will man sich zumindest so lange und intensiv wie möglich sattsehen. Doch viel, was zuerst nur eine Lust für die Augen war, ein Augenschmaus sozusagen, kann schnell zu einer inneren Qual und auch zu böser verantwortungsloser Tat werden. Durch das Augenlicht kann der ganze Mensch verfinstern.
Die Bibel sagt sinngemäß: »Dein Auge ist das Fenster des Leibes und gibt dir Licht. Sehen deine Augen klar, dann bist du ganz von Licht durchdrungen. Sind sie aber schlecht, so bist du voller Finsternis. Deshalb achte darauf, dass deine Augen nicht trübe oder gar blind werden und das Licht in dir erlischt. Erkennst du nämlich Gott nicht, wie schrecklich wird dann deine Finsternis sein!« (Lukas 11,34-35). Damit wird uns nahegelegt, Jesus als das Licht der Welt und des Lebens zu erkennen, ihn in unser Herzensfenster hineinzulassen und dort festzuhalten. Karl-Heinz Gries