Einmal hatte ich die traurige Aufgabe, einen Grabstein für einen nahen Verwandten auszusuchen. So besah ich mir die vielen fertigen Grabsteine im Lager des Steinmetzen und bewunderte die immense Arbeit, die erforderlich ist, um in dieses harte Material so wunderschöne Buchstaben zu meißeln. Wie schrecklich musste das sein, wenn dem Steinmetz dabei ein Fehler unterlief!
So fragte ich den alten Mann, was er denn in einem solchem Fall unternimmt. »Das passiert bei uns nicht!«, sagte er sehr entschieden, ohne noch etwas hinzuzufügen. Einerseits kam mir die Antwort einigermaßen stolz und unangemessen vor, andererseits durfte es ja tatsächlich nicht passieren. Später las ich eine ähnliche Geschichte bei Ernst Modersohn. Es scheint wirklich zum Ehrenkodex der Steinmetze zu gehören, keine Fehler zu machen.
Unser großer Gott muss aus uns rohen Klötzen auch erst etwas Feines, für ihn Erträgliches und dann auch Brauchbares machen. Und weil wir so harte Herzen haben, benötigt er auch oft einen Meißel; aber er macht dabei niemals einen Fehler. Nie schlägt er zu stark, aber auch niemals zu schwach zu, sondern genauso, wie es nötig ist. Wenn wir »Schicksalsschläge« als Arbeit des »Großen Steinmetzen« betrachten, werden wir ihm auch stillhalten und uns nicht andauernd zur Wehr setzen.
Aber auch Leute, die sich Gott noch nicht unterordnen wollen, sollten alles, was geschieht, als das manchmal leise, manchmal auch heftige Anklopfen Gottes ansehen lernen. Gott meint es nämlich auch mit den Gottlosen immer nur gut. Sie sollen dadurch zur Einsicht und Umkehr kommen. Denn Gott will nicht, dass jemand verlorengeht.
Hermann Grabe