Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie ausgeprägt unser menschliches Gerechtigkeitsempfinden ist. Es regt sich beim Durchsehen der täglichen Nachrichten und lässt sich schon beim Streit kleiner Kinder beobachten. Zwei Dinge regen uns auf: Wenn jemand, der nachweislich viel auf dem Kerbholz hat, ungeschoren davonkommt und der gerechten Strafe entgeht. Und wenn einer, der völlig unschuldig ist, zu Unrecht bestraft wird und leiden muss. Unwillkürlich schreit es da in uns: Das ist doch ungerecht!
Es verwundert nicht, dass beide Dinge in der Bibel ausdrücklich als etwas hingestellt werden, was Gott verabscheut. Das können wir gut nachvollziehen, den es entspricht unserem Sinn für Gerechtigkeit. Aber erstaunlich ist, dass dennoch beides über Gott gesagt wird: Jesus Christus war absolut schuldlos, er war der Gerechte. Doch Gott ließ zu, dass er zu Unrecht verurteilt wurde. Ja, noch mehr, Gott selbst bestrafte ihn für Dinge, die er nicht getan hatte. Er legte die Schuld anderer auf ihn - Lüge, Egoismus, Perversion, Zorn, Streitsucht, Lästerei, Ehebruch, Mord ... Jesus litt, als hätte er sich das alles selbst zuschulden kommen lassen. Wie ungerecht!
Im Gegenzug spricht Gott selbst schlimmste Verbrecher gerecht. Die Bibel ist voll von solchen Beispielen. Er sieht dabei nicht einfach über Vergehen hinweg, drückt nicht großzügig ein Auge zu - nein, er erklärt gottlose Sünder für vollkommen gerecht, für absolut schuldlos und gewährt ihnen Zugang zu seiner göttlichen Gegenwart. Wie ungerecht!
Für sich genommen wären beide solche Akte tatsächlich eine unglaubliche Ungerechtigkeit, in Kombination sind sie göttliche Liebe in ihrer höchsten Form und Kern der rettenden Botschaft der Bibel.
William Kaal