In unserer Zeitung wurde neulich von einer Umfrage unter Eltern berichtet. Danach wünschten sich die meisten von ihnen höfliche Kinder. Sie sollten nicht in erster Linie klug, fleißig, hübsch oder erfolgreich sein. Das ist einigermaßen erstaunlich, nachdem man jahrzehntelang vom »König Kind« geredet hat, das man nicht in Konventionen zwängen und dadurch verbiegen darf. Junge Menschen sollen sich frei entfalten und ehrlich ihre Meinung sagen und zeigen dürfen.
Trotz aller traurigen Erfahrungen in der Geschichte heißt es immer noch: Die Verhältnisse sind schlecht; aber der Mensch ist gut. Man möchte nicht einsehen, dass die Menschen die Verhältnisse böse gemacht haben und nicht umgekehrt. Inzwischen scheint der Leidensdruck aber so groß geworden zu sein, dass die Eltern sich nichts sehnlicher wünschen, als dass ihre Kinder sich wieder der Wirklichkeit entsprechend verhalten möchten. Und die sieht so aus: Sie verdanken den Eltern ihr Dasein und alles, was sie bis zum heutigen Tag zur Lebenserhaltung nötig hatten. Dem entsprechend sollen sie den Eltern die schuldige Ehrfurcht entgegenbringen - wie Gott es in unserem Tagesvers und schon auf dem Berg Sinai in den Zehn Geboten gesagt hat.
Gott weiß, wie schwer uns Menschen das Unterordnen fällt, und darum hat er diesem Gebot als einzigem ein Bonbon beigelegt: Denen, die ihren Eltern respektvoll und höflich begegnen, soll es wohlgehen. Wenn das kein gutes Geschäft ist!
Hermann Grabe