Es war ein schöner Tag im Spätsommer. Im hohen Gras befand sich ein Ameisenhaufen, dessen »obere Etagen« kunstvoll mit den benachbarten Grashalmen verbunden waren. Im Inneren herrschte ein emsiges Treiben. Fleißige Arbeiterinnen schleppten unermüdlich den bereits verpuppten Nachwuchs nach oben in den wärmeren Bereich, damit die Jungtiere sich planmäßig entwickeln konnten.
Zu diesem Zeitpunkt nahte bereits die Katastrophe. Eine Motorsense bahnte sich unbarmherzig den Weg durch das hohe Gras. Wie ein Orkan fräste sie sich durch den Ameisenhaufen. In Bruchteilen von Sekunden war eine monatelange sorgsam gepflegte Brut zerstört. Noch ehe die überlebenden Ameisen etwas unternehmen konnten, fegte sie zum zweiten Mal über den Rest des Ameisenhaufens hinweg. Übrig blieb eine völlig niedergemähte Landschaft, wo vorher der Lebensraum vieler Kleintiere war. Und das alles nur, weil ich als Mensch meinte, das Gras in meinem Garten sei zu hoch. Unwillkürlich drängt sich mir da eine Frage auf: Brechen die Katastrophen über die Menschheit auch deshalb herein, weil ein höheres Wesen meint, Rasen mähen zu müssen?
Nein! - Während ich kaum eine Ahnung habe, welche Katastrophe ich mit der Motorsense auslöse, weiß Gott in allen Katastrophen genau, wer davon betroffen wird. Keines seiner Geschöpfe ist ihm egal. Aber manchmal benutzt er Katastrophen, um eine gleichgültige Menschheit wachzurütteln, die die Ordnungen ihres Schöpfers ignoriert. Allerdings ist es falsch zu glauben, die von einer Katastrophe Betroffenen seien größere Sünder als andere. Jede Katastrophe ist ein Ruf Gottes zur Besinnung und eine Gelegenheit zur Umkehr zurück zu Gott.
Günter Seibert