Unser frisch angekommener Pflegesohn lag in seinem Bettchen. Etwas bleich, aber sonst ganz lieb und friedlich. Bald merkten wir jedoch, dass er nicht wie andere Kinder in diesem Alter war: Er schrie nie, wenn er hungrig war. Doch bei den vielen größeren Geschwistern, die sich alle um den kleinen Kerl bemühten, blieb das nicht lange so. Er schaute bald viel aufmerksamer in die Weltgeschichte, und kurz danach meldete er auch seinen Appetit an und wurde ganz aufgeregt, sobald er nur die Milchflasche sah. Das Schmatzen begann schon, bevor der Sauger im Mund steckte. Mit den ersten Zähnen konnte er von einer Banane abbeißen. Kurz darauf wollte er mit am Tisch sitzen, und als er im Kinderstuhl thronte, vertilgte er begeistert auch kleingeschnittene Brotstückchen. Wenn er so weitermacht, isst er sicher seinen Geschwistern bald das Schnitzel weg!
Gott hat auch eine Menge Pflegekinder. So manchen von uns Christen muss er oft genug aus seiner Teilnahmslosigkeit herausholen. Dabei kann er dann nur »leichte Kost« verabreichen, selbst wenn dieser Christ schon jahrelang »dazu gehört«. Es ist natürlich bequem, immer nur mit der Milchflasche bedient zu werden; aber wie das Beispiel unseres Pflegekindes zeigte, ist es eigentlich normal, dass man wächst und dazulernt.
Das gilt für Christen ebenso. Wenn wir »Erwachsene« werden, können wir auch Aufgaben für andere übernehmen, und wir lernen, das Gute vom Bösen zu unterscheiden und uns dieser Erkenntnis entsprechend zu verhalten. Dann kann uns Gott auch »feste Speise« anbieten. D.h. wir können in seiner Schule auch schwierige Aufgaben meistern.
Gerhard Kimmich