Die Großmutter wurde 98 Jahre alt. Mit 70 Jahren verlor sie ihren Ehemann durch einen Autounfall. Ihre 3 Söhne wohnten im gleichen Ort, und als das Leben beschwerlicher wurde, halfen sie ihr, so gut es ging. Bedingt durch ihr Rheuma fiel ihr das Laufen immer schwerer; ihr Nacken beugte sich zusehends, sodass sie die letzten 10 Jahre die Sonne nicht mehr sehen konnte.
Als gläubige Christin wusste sie, dass ihr Mann bei Jesus im Himmel war. Und sie sehnte sich auch dahin. 28 Jahre hat sie ihren Mann überlebt. Und je schwächer der Körper wurde, desto größer wurde die Sehnsucht, auch in die Ewigkeit zu Gott zu gehen.
Fast immer, wenn wir sie besuchten, trafen wir sie in ihrem Ohrensessel an. Nein, sie schlief nicht. Sie betete. Sie betete für ihre 3 Söhne und deren Familien. Sie betete somit auch für uns, die Enkel. Und das jeden Tag, immer wieder. 28 lange Jahre, die ganze Zeit ihrer Witwenschaft. Sie zeigte wirklich »Ausharren«. Sie wartete auf den Himmel und nutzte die Zeit, um für ihre Enkel zu beten. Eine wahre Heldin. Sie hatte wirklich lange Mut!
Ich kenne nicht mehr so viele Menschen, die sich so lange Jahre für andere einsetzen. Unermüdlich, glaubend. Unser Leben verläuft irgendwie in Jahreszeiten. Nicht immer gibt es Ernten, häufig müssen wir einfach nur warten. Die Ergebnisse in der Kindererziehung zeigen sich erst spät, oft nach Jahrzehnten. Können wir so lange durchhalten?
Unsere Großmutter hat es getan. Und als sie ging, haben wir eine großartige Beterin verloren. Wenn die Enkel heute an sie zurückdenken, sehen sie eine Frau im Ohrensessel, den Kopf auf die Brust geneigt – und sie betet. Peter Lüling