Kennen Sie die Fuggerei? So nennt man die erste Sozialwohnungsanlage der Welt. Sie wurde Jahrhunderte vor ähnlichen Einrichtungen erbaut und bildet eine kleine Stadt in der Stadt Augsburg mit Mauern und Toren. Dort gibt es mehrere Straßen, an denen kleinere und größere Wohnungen liegen, die alle den Standard der Behausungen armer Leute in jenen Tagen weit übertreffen. Der Mietpreis ist heute noch so hoch wie vor 400 Jahren. Zuzüglich Heizung, Licht, Wasser usw. beträgt er 2 bis 3 Mark monatlich. Das ganze ist ein unvergleichliches Denkmal caritativen Einsatzes eines Einzelnen.
Nun könnte man einwenden, Jakob Fugger, genannt der Reiche, bei dem Kaiser, Papst und Fürsten in der Kreide standen, wollte sich damit den Himmel verdienen oder sein Gewissen wegen seiner nicht gerade zimperlichen Geschäftsführung erleichtern. Das mag alles sein; aber er tat doch etwas! Und wir? Wenn wir Christen sind, wissen wir, dass Gott unser Vater ist und für uns sorgt und uns um Christi willen in den Himmel bringt und uns hier auf Erden alles gibt, was wir nötig haben. Wirkt sich das auf unsere Freigiebigkeit aus? Gibt es Leute in Ihrer Bekanntschaft, die sich freuen, dass es Sie gibt? Dabei denke ich nicht an Ihre Angehörigen. Ich denke an solche, von denen sie »nichts haben«.
Wäre es nicht an der Zeit, heute Gott zu bitten, ein offenes Herz, ein offenes Ohr für Ihre Mitmenschen zu haben? Wenn man einen alten Menschen nur freundlich grüßt, ist man nicht selten der einzige, der an diesem Tag mit dem Alten ein persönliches Wort gewechselt hat. Welchen Wert hat es demzufolge!
Hermann Grabe