Unter all den verschiedenen Tieren, die ich in Afrika kennengelernt habe, hat mich das Chamäleon am meisten fasziniert. Sein humorloser Blick und seine geschmeidigen Bewegungen geben ihm einen besonderen Charme. Bei meinen Beobachtungen stellte ich fest, dass ein Chamäleon seine Augen unabhängig voneinander bewegen kann. Besonders spannend war auch die lange und extrem schnell ausfahrende Zunge, mit der ein Chamäleon Grashüpfer fangen kann. Wir waren so von den Chamäleons begeistert, dass wir eins dieser wundervollen Tiere für ein paar Tage in unser Haus aufnahmen.
Die bekannteste Eigenschaft eines Chamäleons ist sicherlich seine Fähigkeit, die Farbe zu wechseln. Dies macht es, um mit Artgenossen zu kommunizieren (z. B. vor der Paarung) oder um sich an seine Umgebung anzupassen und sich so zu tarnen.
Auch wir Menschen verhalten uns manchmal wie Chamäleons. Wir bewegen uns elegant durch den Gesellschafts-Dschungel und passen unsere äußere Erscheinung stets an unsere Umgebung an. Wir schauen uns mit beiden Augen um nach dem, was gerade gefragt ist, und verhalten uns entsprechend. Für einen Job sind wir gerne sozial, konservativ, links - eben das, was gerade erwünscht ist. Wir tanzen auf mehreren Hochzeiten, um uns alle Optionen offenzuhalten. Wir passen uns rasch an die neuesten Mode- und Techniktrends an und schwimmen mit im Strom der Gesellschaft. Originalität? - Fehlanzeige!
Wo sind heute noch Menschen mit Überzeugungen und klaren, begründeten Standpunkten? In der jungen Generation, der ich angehöre, macht sich der Opportunismus immer mehr breit. Werden wir damit Spuren im Leben anderer hinterlassen? Sebastian Lüling