Ein kleiner Junge schaut von unten zu mir hoch, blickt mich erwartungsvoll an und stellt mir diese Frage. Weil er so freundlich fragt und ziemlich unbeholfen mit den Schnürsenkeln herumfriemelt, zeige ich ihm ein paar Handgriffe, binde ihm gerne die Schuhe zu, klopfe ihm auf die Schulter und schon rennt er froh zum Fußballspiel.
Als ich mich im Rahmen eines Auslandsjahres um kleine Kinder gekümmert habe, wurden mir häufig solche Fragen gestellt. Es waren weniger »philosophische Gedankenspiele«, die die Kinder beschäftigten. Oft musste man bei ganz alltäglichen Dingen aushelfen: »wie geht das mit dem Stockbrot«, »Ich habe Heimweh«, »Mein Zimmernachbar hat mich verletzt«, »Ich verstehe die Hausaufgaben nicht«, »Mein Fahrrad hat einen Platten« ...
Obwohl hier und dort Geduld erforderlich war, habe ich die Kinder doch gerne bei der Hand genommen und versucht, ihnen zu helfen. Ob es nun bestimmte Fähigkeiten, Unstimmigkeiten mit Freunden oder banale Dinge wie das Schuhezubinden sind: Wenn man gefragt wird, fühlt man sich gebraucht.
Auch wenn Gott möchte, dass wir selbstständig werden, so freut er sich doch, wenn wir ihn wie Kinder um Rat, Hilfe und Trost bitten. Aber nicht selten hindert uns der Stolz daran, Mitmenschen oder Gott um etwas zu bitten. Wir wollen lieber eigenständig sein. Gott scheint weit weg und ist oft nicht mehr als eine abstrakte Denkmöglichkeit. Man redet über »Gott und die Welt«, aber in unserer eigenen privaten Welt spielt Gott eigentlich keine Rolle. Doch er möchte gerade in unserem Alltag da sein und gebraucht und gefragt werden - seien die Bitten noch so klein. Nur so entsteht die Abhängigkeit und Vertrautheit, in der er mit uns leben möchte. Sebastian Lüling