Es ist noch nicht so lange her, dass zwei meiner Bekannten miteinander spazieren gingen. Da zog ein Gewitter auf. Als die ersten Blitze zuckten, wollten sie sich in ein nahes Waldstück retten, um nicht »der höchste Punkt im Gelände« zu sein, der den Blitz auf sich zog. Doch sie hatten die Bäume noch nicht erreicht, als ein Blitz einschlug, der den einen tötete und den anderen nur verletzte. Beide waren fromme Leute. Warum hatte Gott den einen erschlagen und den anderen leben lassen? Solche Fragen tauchen immer wieder auf, wenn große Katastrophen per Fernseher allen zugänglich gemacht werden, aber auch wenn kleinere Unglücke nur den nächsten Bekanntenkreis erschüttern.
»Wo war Gott?«, heißt es dann, oder: »Konnte Gott das nicht verhindern?« In der Öffentlichkeit taucht der Gedanke an Gott noch für kurze Zeit einmal auf, meistens aber nur mit dem Hintergedanken: »Du siehst, den gibt es überhaupt nicht.«
In unserem Tagesvers hatte der König Hiskia nicht nach dem »Warum?« seiner Krankheit gefragt, sondern nach dem »Wozu?«. Das ist sehr viel erfolgversprechender, weil Gott darauf gern eine Antwort gibt. Das »Warum?« ist ja meistens anklagend, also murrend und bitter gemeint, während das »Wozu?« darauf schließen lässt, dass der Fragende aus dem Erlebten etwas lernen möchte.
Wer glauben kann, dass unser allmächtiger Schöpfer uns liebt und uns in seine heilsame Nähe bringen will, der versteht auch dunkle Wege als Wege zum Licht. Der hält inne und überlegt, was ihn wohl noch hindert, Gott wohlgefällig zu leben. Oft geschieht ein Unglück aber auch nur, damit die Menschen um uns her sehen sollen, wie ein wahrhaft Gläubiger darauf reagiert – wie Hiskia.
Hermann Grabe