Mancher hat schon gefragt, warum Gott nicht gleich hilft, wenn er seine Leute in Not sieht. Warum kam er hier erst in der vierten Nachtwache, zwischen drei und sechs Uhr morgens? Blicken wir ins Alte Testament, so erleben wir immer wieder Wartende. Manche warteten Jahrzehnte, bis Gott ihnen sein Versprechen einlöste. Das ist doch ziemlich anstrengend und bietet manchem Spötter vielerlei Gelegenheit zu fragen: »Wo ist nun dein Gott?«
Die Bibel gibt uns zwei Lösungen für dies Rätsel. Die eine können wir bei einem Goldschmied erfahren. Blicken wir als Laien in den heißen Tiegel, in dem das Gold geschmolzen wird, so wundern wir uns, warum er es nicht in die Form gießt, wo es doch schon flüssig ist. Er aber hält es so lange in der Flamme, bis sich die Schlacke abgesondert hat. Dann erst kann er das Gold weiterverwenden. Nur Gott weiß, ob das Herz des Leidenden die Lektion gelernt hat, um die es gerade geht, und wir sollen ihm nie vorzugreifen versuchen.
Die andere Lösung ist die: Manchmal ehrt Gott einen Menschen damit, dass er anderen zeigen darf, was Glaube im Ernstfall bedeuten kann. Dann legt er ihm für unseren Geschmack unzumutbare Lasten auf, und wir können erstaunt sehen, wie dieser Mensch mit Gottes Hilfe damit fertig wird. Das kann eine persönliche Krankheit sein, aber auch die Pflicht, einen Schwerbehinderten jahrelang treu zu versorgen. Wenn wir ein wenig ehrlich sind, schmelzen beim Anblick solchen Glaubens unsere Kümmernisse wie Schnee in der Sonne, und wir hören auf zu jammern. Stattdessen werden wir bereit, selbst glaubend Lasten zu tragen - vielleicht zum Nutzen anderer. Und durch alles wird dann Gott geehrt.
Hermann Grabe