Ich hatte noch nicht einmal die Schuhe ausgezogen, die Jacke noch in der Hand, da klingelte das Telefon. »Nein, wer ruft denn um diese Zeit noch an? Schauen die Leute nicht auf die Uhr? Es ist 23:15 Uhr, ich bin müde ... ich will auch mal meine Ruhe haben ...« Einen Augenblick lang dachte ich: »Soll ich überhaupt drangehen?« Ich hatte mich so gefreut, vor dem Zu-Bett-Gehen noch einen Moment lang die Füße hochzulegen ... Mit diesen Gedanken kam ich beim Telefon an. »Hallo?« - »Hallo, Papa, ich stecke fest, ich bin hier gestrandet; der Zug hatte Verspätung, alle Anschlusszüge sind weg, kannst du mich abholen?« - »Gibt's wirklich keine andere Möglichkeit?« Selbst ich merkte: Mein Ton war nicht gerade erfüllt von Jubel. Wer will schon um diese Zeit noch 160 km fahren? »Papa, bitte ...!« - »Okay!«
Unterwegs dachte ich an das Gleichnis von Jesus aus dem Lukasevangelium, Kapitel 11. Mitten in der Nacht kommt ein Nachbar zum Freund: »Zu mir ist gerade Besuch gekommen und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen könnte, bitte leih mir ein paar Brote« ... Nach anfänglichem Zögern lässt der sich überreden und gibt ihm, was er will. Und Jesus folgert: »Bittet, und es wird euch gegeben werden; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan werden.« Und weiter: »Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater, der vom Himmel ist, den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!« Wie würde ich mich schämen, wenn ich meinem Sohn verweigert hätte, ihn abzuholen. Er hat mich gebeten - und nun bin ich glücklicherweise unterwegs. Mein himmlischer Vater hat es mit mir ja auch so oft schon gemacht. Berndt Mokros