Kennen Sie das: Sie wollen einen Brief schreiben und bekommen keinen Gedanken auf das Papier? Doch, wie für alles, gibt es auch für solche Zwecke Handbücher mit Mustertexten. In einer Bibliothek fällt mir ein solches Werk in die Hand. Bis hin zum »Brief an eine enge Freundin, deren Ehemann nach einem Selbstmordversuch im Koma liegt« finden sich dort Beispielbriefe für schwierige Fälle. Auch wenn ich hoffe, dass Sie und ich nie einen solchen Brief schreiben müssen, frage ich mich: Würde ich im Ernstfall solche Vorlagen wirklich verwenden? Würde ich diese wohlformulierten Sätze wirklich so meinen, wie ich sie (ab-) schreibe? Und würde nicht jedem, der mich näher kennt, auffallen: Das ist doch gar nicht sein Stil? Ich befürchte, die meisten würden bemerken, dass es sich bei den verwendeten Texten nicht um meine Worte handelt. Auch wenn ich selbst einen Brief bekomme, möchte ich dass die Worte von Herzen kommen. Das, was durch die Persönlichkeit des Absenders zwischen den Zeilen zu lesen ist, ist mir unendlich wertvoller als eine aalglatte Sprache ohne persönlichen Bezug.
Auch Gott ist mehr an unserem persönlichen Bezug zu ihm interessiert als an der Verwendung von wohlformulierten Worten. Ein Gebet darf daher ruhig holprig klingen. Gott weiß, wie wir es meinen. Worauf er Wert legt, ist Ehrlichkeit. Doch wie leicht gehen mir häufig gebrauchte Formeln von den Lippen, ohne dass ich mit meiner Persönlichkeit dahinter stehe? Wie oft bete ich mit Worten, die ich von anderen übernommen habe, ohne über deren tieferen Sinn nachzudenken? Ich will ihn neu bitten: Herr, lehre mich beten!
Andreas Droese