»Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen«, ist ein gängiges Sprichwort bei uns. Dass diese Aussage zutrifft, merkt man immer wieder, wenn ein Minister zurücktritt, eine Regierung abgelöst wird oder eine langjährig tätige Amtsperson abgewählt wird. Oft sind Häme und Spott dann an der Tagesordnung, und nicht selten wird auch noch böse nachgetreten in der Gewissheit, dass man es mit dem Betreffenden wohl nie mehr zu tun haben wird.
Ähnliches musste Jesus am Kreuz über sich ergehen lassen. Nicht genug, dass er dort unschuldig für die eigentlich Schuldigen leiden musste und den Tod vor Augen hatte. Nein, er war in den unvorstellbaren Qualen eines Gekreuzigten auch noch dem Hohn und Spott derer ausgesetzt, die ihn dorthin gebracht hatten. Warum ist Jesus nicht einfach vom Kreuz herabstiegen, um es ihnen »zu zeigen«? Durch Gottes Macht wäre es ihm möglich gewesen. Doch das Ziel seines Weges war es, durch seinen stellvertretenden Tod die Sünde und Schuld der Menschheit zu sühnen. Deshalb konnte er nicht herabsteigen, sondern musste bis zuletzt am Kreuz die Qualen erdulden, bis er sterbend ausrufen konnte: »Es ist vollbracht!« (Johannes 19,30).
Für seine Gegner schien dies der Augenblick des Triumphes zu sein. Ihre Macht war gesichert, in ihren Augen war alle Gefahr gebannt. Der Tod Jesu war aus ihrer Sicht unumkehrbar und das Kapitel »Jesus von Nazareth« ein für alle Mal abgeschlossen. Mit ihm, so meinten sie, würden sie es nie mehr zu tun bekommen. Und obwohl Jesus seinen Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem Hoffnung auf seine Auferstehung gemacht hatte, machte sich jetzt unter den Anhängern Jesu völlige Hoffnungslosigkeit breit …
Joachim Pletsch