Kürzlich unterhielt ich mich bei einer Beerdigungsnachfeier mit einem vitalen, geistreichen Mann. Wie sich herausstellte, war er der Schwiegervater des Verstorbenen. Der Senior war 20 Jahre lang Landtags-Abgeordneter gewesen und offenbar Duzfreund von Johannes Rau, der ihm gerade noch zum 70. Geburtstag gratuliert hatte.
»Tja, eigentlich dachte ich: ›Du könntest der Nächste sein, der abtreten muss …‹. Stattdessen trifft es meinen 30 Jahre jüngeren Schwiegersohn!« sagte er sehr nachdenklich und bewegt. »Ich lag nämlich bis letzte Woche wegen einer komplizierten OP auf Leben und Tod im Krankenhaus. Meinen Bettnachbarn hatten sie tags zuvor nach dem gleichen Eingriff nicht mehr ins Zimmer zurückgeschoben! Da bekam ich es ganz schön mit der Angst zu tun. Aber dann – ich stand gerade am Krankenhausfenster, oben im 6. Stock, und schaute gedankenverloren nach draußen – da sah ich auf dem kiesbedeckten Flachdach unter mir mitten aus den Steinen eine wunderschöne Blume emporragen. Das war für mich wie ein Zeichen: Leben, wo alles wie tot schien! Mir war es so, als wolle der Herrgott zu mir sagen: ›Du wirst nicht sterben!‹ Tja, und so kam es dann auch. Mir geht es wieder gut.«
»Lieber Mann«, fragte ich den Genesenen, »können Sie sich vorstellen, dass Gott nicht nur ›durch die Blume‹ mit Ihnen sprechen will, sondern auch ganz konkret? Haben Sie nicht auch gebetet, sich direkt an Gott gewandt oder in der Bibel nach seinen Antworten gesucht?« »Hmm…«, antwortete er etwas nachdenklich, »Sie werden es nicht glauben, aber ich habe dort nach langer Zeit mal wieder nach der Bibel gegriffen und begonnen, darin zu lesen. Es lag eine in der Nachttisch-Schublade.«
Andreas Fett