Ein Freund von mir ist seit seiner Kindheit blind. In fremder Umgebung ist er daher auf seinen Blindenstock, sein Gehör und seinen Tastsinn angewiesen und bewegt sich darum natürlich eher vorsichtig. Aber in einer vertrauten Umgebung, zum Beispiel zu Hause oder an seinem Arbeitsplatz, bewegt er sich mit faszinierender Sicherheit und Zielstrebigkeit. Er stößt nirgends an und kann alle Haushaltsgegenstände und Arbeitsgeräte problemlos benutzen, jeder Handgriff sitzt genau. Wer ihn dabei beobachtet, kann kaum glauben, dass er tatsächlich nichts sehen kann. Alle diese Dinge sind für ihn unsichtbar - aber natürlich trotzdem real - und durch seinen langjährigen, täglichen Umgang mit ihnen verhält er sich so, als sähe er das Unsichtbare.
So ähnlich müssen die Menschen von Mose gedacht haben, wenn sie ihn beobachtet haben. Gott war für ihn unsichtbar - so wie er für alle Menschen unsichtbar ist. Aber er hatte einen so vertrauten Umgang mit ihm, dass man meinen konnte, er könnte buchstäblich den Unsichtbaren sehen. Selbst den Pharao, den mächtigen Herrscher Ägyptens, fürchtete er nicht, weil er den unvergleichlich mächtigeren, lebendigen Gott vor Augen hatte.
Bis heute ist ein Leben, das durch eine vertraute Beziehung zu dem unsichtbaren Gott geprägt ist, faszinierend und beeindruckend für die Mitmenschen. Gott ist unsichtbar und kann mit den menschlichen Augen nicht erfasst werden. Jesus selbst hat einmal gesagt: »Glücklich sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben.« Echter, lebendiger Glaube ist dadurch gekennzeichnet, dass er über das Sichtbare hinaus geht und den Unsichtbaren stets vor Augen hat. Gerhard Kautz