»Bratsche ist für den, der's kennt, auch ein wunderschönes Instrument«, so sagte Eugen Roth (deutscher Lyriker) etwas spöttisch. Er wusste genau, dass eigentlich alle im jeweiligen Orchester ihres Lebens die »erste Geige« spielen möchten. Weil das nicht geht, nehmen viele dann mehr oder weniger mürrisch in der zweiten oder dritten Reihe Platz und warten darauf, dass die »da vorne« hoffentlich Fehler machen.
Ich kenne aber auch einige Geiger, die tatsächlich verstanden haben, das wenn sie »Bratsche« spielen, also nicht ganz vorne sitzen, sie mehr Zeit für wichtigere Dinge gewinnen. Sie brauchen nicht ganz so lange für die Orchesterproben zu üben und haben dadurch Zeit für ihre Familie und für mitmenschliche Beziehungen.
Alles kommt darauf an, wie unsere Prioritätenliste aussieht. Wer unbedingt Konzertmeister bei den Berliner Philharmonikern werden will, hat eine völlig andere, als jemand, dem es darauf ankommt, dass seine Kinder von ihm brauchbare Lebenshilfen erhalten. Solche Eltern möchten, dass sie ihren Kindern verlässliche und auch jederzeit ansprechbare Führer durch den Dschungel dieses Lebens sind. Dann darf man sich natürlich nicht restlos in seinem Beruf verausgaben, auch wenn das nicht selten Einkommenseinbußen zur Folge hat.
Ich weiß, wie kompliziert das Leben ist und dass sich die besten Vorsätze oft nicht verwirklichen lassen. Da ist es ein Trost, wenn man weiß, dass Gott jedes Herz kennt. Er sieht auch, wenn wir bereit sind, unsere ehrgeizigen Wünsche dem Wohl unserer Lieben zu opfern. Und wer seine Sache mit Gott in Ordnung gebracht hat, wird dann auch entdecken, welch schönes Instrument seine »Bratsche« letztendlich ist.
Hermann Grabe