Schafe sind ja bekanntlich Herdentiere. Und die stecken gern die Köpfe zusammen, wenn sie ein besonders leckeres Futter gefunden haben. Hat nun ein Schaf die Räude, eine Hautkrankheit, so infiziert es alle, die mit ihm den Kopf zusammensteckten. Das wissen die Hirten, und darum behandeln sie die Köpfe ihrer Schafe mit einer Salbe, welche sie vor Ansteckung mit der Räude bewahrt. Schon der Hirtenkönig David rieb die Köpfe seiner Schafe mit Öl ein, das Heilkräuter enthielt.
Menschen sind auch »Herdentiere« und stecken gern die Köpfe zusammen, wenn es etwas – meist wenig Schmeichelhaftes – über einen abwesenden Nachbarn zu erzählen gibt. Da ist dann immer einer dabei, der sein besonderes Vergnügen darin findet, solche Geschichten zu verbreiten. Oft werden derlei Berichte mit dem Ausdruck scheinheiligen Bedauerns eingeleitet und mit den schlimmsten Vermutungen und Unterstellungen gewürzt. Wie leicht kann dadurch ein Vertrauensverhältnis nachhaltig beschädigt oder gar völlig untergraben werden!
Gott hat solch Gerede nicht nur ausdrücklich verboten. Er hat auch den Hörern ein Mittel gegeben, davon nicht angesteckt zu werden. Gläubige Menschen sollten solche »räudigen Schafe« meiden, und wo das nicht möglich ist, Gott um Bewahrung bitten. Bildlich gesprochen salbt dann Gott den Kopf des Hörers mit seinem Geist, dass er dem Nachbarn trotz der haarsträubenden Geschichten weiterhin freundlich begegnen, ihm helfen und für ihn beten kann. Oft braucht ein solcher Mensch diese Hilfe ganz besonders dringend, eben weil die Gefahr besteht, dass er von vielen »abgeschrieben« wird.
Hermann Grabe