Abgesehen davon, dass man einen anderen Menschen niemals beschimpfen darf, ist es auch noch ein Zeichen von Gedankenlosigkeit, wenn nicht gar Dummheit, wenn jemand einen anderen einen »dummen Esel« nennt. Natürlich kann ein Esel nicht lesen und versteht auch nichts von Geometrie. Aber das können viele der als dumme Esel Bezeichneten sehr wohl. Das kann also nicht gemeint sein. Man meint ja meistens, dass ein so Titulierter nicht in der Lage ist, sein Leben zu meistern, mit dem doch die meisten irgendwie zurechtkommen. Und das wieder gilt für einen Esel ganz und gar nicht.
So frisst ein Esel auch Brennnesseln und dornige Sträucher, so als wüsste er: Wenn er die nicht frisst, wird er überhaupt nichts kriegen. Wir Menschen übersehen oft die geringen Gaben, weil wir auf Besseres hoffen, und haben zum Schluss Hunger.
Esel merken auch, dass die ihnen aufgebürdete Last zu schwer für sie ist. Sie stehen dann einfach nicht auf, einerlei ob ihr Herr sie für störrisch oder faul hält. Und wie mancher Mensch kann nicht »Nein« sagen, auch wenn er genau weiß, dass er überfordert ist.
Esel wissen es zwar nicht, dass sie meistens sehr demütig aussehen mit ihren gesenkten Köpfen; aber welche Lehre wäre das für uns hochmütige Menschen! Wenn wir so vor Gott erscheinen würden wie ein solcher Esel, hätte er sein Wohlgefallen an uns und könnte uns in seinen Dienst stellen. So machte es damals der demütige Gottessohn auch, als er nicht hoch zu Ross, sondern demütig, auf einem Esel nach Jerusalem einreitend, die Huldigungen seines Volkes entgegennahm.
Hermann Grabe