An einer Stelle in der Lebensbeschreibung Abrahams lesen wir: »Der HERR blieb noch vor Abraham stehen.« Gott wartete, ob Abraham noch etwas zu sagen hätte. Die alten jüdischen Lehrer konnten es in ihrer tiefen Ehrfurcht nicht ertragen, dass der allmächtige Gott auf einen Menschen gewartet haben sollte. Deshalb korrigierten sie den Bibeltext und schrieben: »Abraham blieb noch vor dem Herrn stehen.«
Im Gleichnis vom verlorenen Sohn, aus dem obiger Bibelvers entnommen ist, zeigt Jesus Christus, wie sein Vater auf jeden Menschen wartet. Wer keine Lebensgemeinschaft mit ihm hat, ist für ihn ein verlorener Sohn. Und wenn ein solcher Sohn nach vielen Irrwegen mit unerfüllten Sehnsüchten und Träumen und zweifelhaften Erlebnissen und Erfahrungen sich schließlich ausgebrannt auf den Heimweg macht, sieht ihn der himmlische Vater schon, wenn er »noch fern« ist. Er hat auf ihn gewartet, nach ihm Ausschau gehalten, war ständig mit ihm beschäftigt. Und wenn er den Sohn dann kommen sieht, kann er Mitleid und Freude nicht zurückhalten. Er läuft dem völlig Heruntergekommenen entgegen, fällt ihm um den Hals und küsst ihn zärtlich.
Wie ist Gott doch ganz anders! Anders als selbst die Frömmsten gedacht haben! Wenn wir zu ihm umkehren, kommt er uns entgegen! Er liebt uns Menschen, auch wenn er uns Wege gehen lässt, die in Sackgassen enden. Das geschieht nur, damit wir willig werden, uns helfen zu lassen. Wenn wir nichts von ihm wahrnehmen, dann sicher deshalb, weil unsere große oder kleine Welt uns so ausfüllt, dass wir für ihn kein Ohr haben, wie der verlorenen Sohn in der Fremde. Gerd Goldmann