Wie schön, dass Petrus auf dem Wasser gelaufen war; aber es war auch gut, dass er als Ertrinkender gerettet werden musste. Es lässt sich gar nicht ausdenken, wie viel Stolz und wie viel Neid oder falsche Bewunderung es von diesem Erlebnis an im Miteinander der Jünger gegeben hätte, wenn der Petrus mit trockenen Kleidern ins Boot zurückgeklettert wäre. Aber der Herr machte auch hier keinen Fehler in seiner Erziehungsarbeit.
Als Erstes kletterte er zusammen mit dem wassertriefenden Petrus ins Boot. Wenn er mit Petrus etwas zu tun haben wollte, wer mochte dann verächtliche Blicke auf »den Versager« werfen? Und Petrus war auch nicht zum Angeben zumute, weil doch alle Zeugen seines Versagens geworden waren. Den übrigen Jüngern war ebenfalls bewusst, dass ihre trockenen Kleider nicht das Ergebnis eines stärkeren Glaubens, sondern ihrer Ängstlichkeit waren. So konnten sie es allesamt als begnadigte Kleingläubige wieder gut miteinander aushalten. Anders geht es auch heute in einer Gemeinde von Gläubigen nicht.
Wenn jemand für eine Zeit lang - vielleicht vor aller Augen - »übers Wasser laufen« durfte, d.h. etwas Außerordentliches für Gott leistete, dann besteht die Gefahr, nicht den schenkenden Gott, sondern diesen Menschen zu verehren. Das können die wenigsten so vertragen, dass sie sich am Ende nicht selbst für etwas Besseres halten und dementsprechend behandelt werden wollen. Und damit wird Gott entehrt, und aller Nutzen verkehrt sich schnell in tiefen Schaden. Natürlich haben wir Leistungen anzuerkennen; aber wir dürfen darüber nicht den Geber aller Gaben vergessen.
Hermann Grabe