Ich betrat das Klassenzimmer und begrüßte meine Schüler, wie in Bayern durchaus üblich, mit einem herzlichen »Grüß Gott«. Eine erwachsene Schülerin, die im kommunistischen Russland aufgewachsen war, meldete sich und fragte mich, wen ich denn da grüßen würde. Wer denn das sei, Gott, fragte sie weiter. Ich vermutete eine Provokation, aber im Verlauf des Gesprächs stellte sich heraus, dass meine Schülerin tatsächlich noch nie in ihrem Leben das Wort »Gott« gehört hatte. Sie kannte nicht nur Gott nicht, hatte also keine Beziehung zu ihm, sondern hatte überhaupt noch nie etwas von einem Wesen namens »Gott« gehört. Die Vokabel »Gott« war ihr genauso fremd wie das, was sich dahinter verbirgt.
Ich war schockiert. Konnte es wirklich sein, dass jemand seit Jahren in Deutschland lebt und noch nie jemanden über Gott hat reden hören? Ein Mensch, der in unserem Land der Vokabel »Gott« noch nie begegnet ist, geschweige denn einem Christen, der mit diesem Gott lebt?
Die Schülerin war interessiert und wollte mehr wissen. Sie war weder voreingenommen noch ablehnend. Sie hatte wirklich noch nie etwas von Gott und seinem Sohn Jesus Christus, der in die Welt gekommen ist, um Sünder zu retten, gehört. Sie wusste nicht, dass sie eine Sünderin war, akzeptierte diese Tatsache aber sofort, als ich sie ihr erklärte. Es war für sie, wie wenn man etwas glaubt, was man tief im Innern schon immer geahnt hat, ohne es sich je bewusst gemacht zu haben. Es hatte ihr einfach nie jemand gesagt, dass jeder Mensch einmal im Leben eine Entscheidung für oder gegen Gott treffen muss und dass von dieser Entscheidung die Ewigkeit abhängt. Mein Gebet ist, dass diese junge Frau diese Entscheidung nun getroffen hat. Gabi Singer