Die Niederländerin Corrie ten Boom schreibt in ihrem Lebensbericht »Die Zuflucht«, wie sie als zehnjähriges Mädchen in der Schule den Begriff »geschlechtliche Sünde« aufschnappte und nichts damit anfangen konnte. Sie vertraute sich ihrem Vater an, zu dem sie eine gute Beziehung pflegte, und fragte ihn auf einer Reise nach der Bedeutung. Dieser blickte sie an, schwieg zunächst und bat sie dann, seinen schweren Koffer zum Bahnsteig zu tragen. Als sie dies vergeblich versuchte, erklärte er ihr: »Das müsste ein schlechter Vater sein, der sein Töchterchen bäte, solch eine Last zu tragen. Genauso ist es mit dem Wissen, Corrie. Manches Wissen ist zu schwer für Kinder. Wenn du älter und stärker bist, kannst du es tragen. Jetzt musst du es mich für dich tragen lassen.« Corrie schreibt, dass sie diese Antwort tatsächlich beruhigte und sie ihrem Vater vertraute.
Nun mag debattiert werden, wann genau der beste Zeitpunkt für Aufklärung und andere schwierige Themen ist. Die schöne und wahre Geschichte verdeutlicht jedoch ein grundsätzliches Prinzip: Nicht nur Kinder, sondern alle Menschen sind je nach Alter, Reife und Umständen erst zu unterschiedlichen Zeitpunkten bereit, bestimmte Dinge zu tragen: schwieriges Wissen, anspruchsvolle Aufgaben oder Verantwortung für Kinder. Bis dahin tragen andere die Verantwortung.
Als Christen haben wir, ähnlich wie Corrie, einen weisen und weitsichtigen Vater, der genau weiß, wann uns wie viel zuzumuten ist. Wir haben zwar alle »unsere Köfferchen zu tragen«, und manch einer scheint ungerecht schwer zu sein. Doch wir können darauf vertrauen, dass Gott uns in unserer Situation sieht und uns Christen an die Seite stellt, die mit uns die Lasten tragen. Sebastian Lüling