Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, dass die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten.
Johannes 4,23
Anbeten ist mehr als Danken und Loben und ganz gewiss weit mehr als Bitten. Bei der Anbetung Gottes geht es nämlich nicht darum, von ihm etwas zu erbitten oder ihm für etwas zu danken oder ihn wegen einer seiner Eigenschaften zu loben. Nein, es geht beim Anbeten darum, vor der Majestät des allmächtigen, allwissenden und allgegenwärtigen Gottes still zu werden und sich darüber zu freuen, dass man die unverdiente Gunst erhalten hat, in seine Gegenwart treten zu dürfen – um nichts mehr zu wünschen, nichts mehr zu betrauern, nichts sonst mehr zu wollen, als diese Nähe zu genießen.
Ich habe da das Bild eines satten Hundes vor Augen, der sich nichts weiter wünscht, als zu den Füßen seines Herrchens zu liegen. Hunden geht es sogar so sehr darum, an diesem Platz ganz in der Nähe ihres Herrchens sein zu dürfen, dass heiße Kämpfe darum entbrennen können, wenn sie keine Einzeltiere sind. Selbstverständlich handelt es sich hier um ein natürliches, in den Instinkten verankertes Verhalten, das keiner Überlegung bedarf. Es gehört keine Überwindung widerstrebender Empfindungen dazu, und darum ist es moralisch auch völlig neutral.
Ganz verborgen im Text der Ursprache des Neuen Testaments ist sogar dieser Anhänglichkeit der Hunde ein ewiges Denkmal gesetzt, das uns zugleich mit der höchsten Berufung des Menschen in Verbindung bringt. Das Wort für »anbeten« heißt: proskynein. Es setzt sich aus der Vorsilbe pros = hinzu und dem Verb kynein = sich niederwerfen zusammen – wobei das Verb mit dem Substantiv kuon = Hund verwandt ist, also davon spricht, sich wie ein Hund zu benehmen. Dieses Bild zeigt uns aber auch, für wie unnatürlich Gott es hält, wenn wir Menschen von uns aus gar keine Sehnsucht nach dieser Nähe verspüren.
Hermann Grabe