Wir hatten zu Hause ein altes Liederbuch aus Kaiser Wilhelms Zeiten auf dem Harmonium herumliegen. Eines war darunter, das begann mit den Zeilen: »Der alte Barbarossa, / der Kaiser Friederich, / im unterird'schen Schlosse / hält er verzaubert sich.« Nach der Sage war Friedrich Barbarossa auf seinem Kreuzzug nicht gestorben, sondern hatte sich in den Kyffhäuserberg zurückgezogen, darauf wartend, zu gegebener Zeit des Reiches Herrlichkeit mit Macht neu aufzurichten. Mir kleinem Knirps gefiel das Lied, ich habe es oft laut gesungen. Viel später erst habe ich erfahren, dass das Lied ursprünglich gar nicht Barbarossa meinte, sondern seinen Enkel, ebendiesen Friedrich II.
Weil sein Vater früh gestorben war, kam Friedrich früh zur Krone und erbte auch noch das Königreich Sizilien. Auf den ersten Blick war er also ein äußerst mächtiger Mann. Zwar machten die deutschen Fürsten und der Papst ihm das Leben schwer, wo sie nur konnten. Doch Friedrich konnte sich behaupten. Als Kaiser bewegte er eine Menge, zum Beispiel erreichte er durch Verhandlungen, dass die christlichen Pilger sicher nach Jerusalem gelangen konnten. Er war ein Förderer von Kunst und Wissenschaft, schrieb selbst ein Buch über die Falknerei. Seine Verehrer nannten ihn »das Staunen der Welt«.
Schon mancher Herrscher dieser Welt wurde zu einem Mythos hochstilisiert, aber wie alle anderen Menschen sind auch sie vergänglich und können nach ihrem Tod gar nichts mehr für die Welt bewirken. Und wenn sie nicht einem Höheren, nämlich Gott, gedient haben, wozu der Tagesvers auffordert, nützt ihnen all ihr Werk nichts, denn eines jeden Menschen Maß wird nach dem gemessen, wie Gott ihn »zurechtweist«. Das gilt nicht nur für Könige, sondern für alle - bis heute. Karl-Otto Herhaus